Call to action in Berlin: Wenn die Regierungen nichts tun, müssen wir es eben selber machen
von Hans Boës
Nachdem ich besonders in den 90er Jahren extrem besorgt war, dass sich das Klima in eine selbstverstärkende Treibhaus-Teufelsspirale verwandelt, war ich in den letzten 10 Jahren eher beruhigt.
Obwohl die CO2 Emissionen weiter munter gestiegen sind, war die globale Temperatur seit etwa 2000 relativ stabil. Fast sah es so aus, als ob die Klimaskeptiker doch recht behalten sollten und CO2 und globale Temperatur tatsächlich nicht direkt gekoppelt sind.
Und die Klimaforschung gab auch eine ganze Menge Anlass, an den Ergebnissen der monatlichen Hiobsbotschaften zu zweifeln. Da wurden mehrfach Daten nachweislich nach oben korrigiert, damit die Menschen bloß nicht den Glauben an die gängige Klimatheorie verlieren.
Jetzt aber hat sich die globale Temperatur wieder dramatisch erhöht und wir können die Folgen in den letzten Wochen schon spüren. Es sieht so aus, als ob doch noch das Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen auf uns zu kommt.
Zum einen geben die Stürme und Hurricans der letzten Wochen wahrscheinlich einen Vorgeschmack von dem, was noch kommt, wenn die Temperaturen weiter steigen. Denn das Klima ist wie eine gigantische Maschine, die wie jede Maschine nur durch Temperaturdifferenzen angetrieben wird. Je mehr die Temperaturen steigen, desto wilder wird diese Maschine. Ich habe das im Artikel “Immer schneller, immer extremer“ ausführlich dargestellt.
Zum anderen sieht man an der Veränderung der globalen Temperatur sehr gut, wie sich die Temperatur in den letzten Jahrzehnten beruhigt hatte und erst jetzt wieder ansteigt. Besonders, wenn man nur die Temperaturen im Februar des jeweiligen Jahres anschaut:
Screenshot aus NOAA Global Temperature Anomalies – Graphing Tool, vom September 2017. https://www.ncdc.noaa.gov/cag/time-series/global
Warum wird das im Februar besonders deutlich?
Nun es ist ohnehin die Frage, warum die Temperaturen in den letzten Jahren nicht parallel mit den CO2-Emissionen gestiegen sind. Tatsächlich könnte es eine Rückkoppelung der Atmosphäre mit der Ozeansphäre geben, wie ich das in meinem Bericht an das Sekretariat für Zukunftsforschung vor etwa 20 Jahren auch schon einmal angedacht habe (Oikos Text (PDF), S. 46ff.)
Ozean und Atmosphäre sind gekoppelt wie ein Doppelpendel und die jahreszeitlichen Schwankungen werden von dem großen Pendel der Ozeane überlagert. Das wird im Februar wahrscheinlich besonders deutlich, weil sich dort der Umkehrpunkt der atmosphärischen Erwärmung zwischen Nord- und Südhalbkugel befindet.
Deutlich wird aber auch, dass wir noch nicht wirklich viel über das Verhalten des Klimas wissen und immer wieder überrascht sein werden. Denn das Klima ist wie ein wildes Tier. Wir müssen auf Dauer lernen, es zu zähmen.
So glaube ich inzwischen zwar nicht mehr, dass das Klima in den nächsten 10 bis 30 Jahren in einen selbstverstärkenden Treibhauseffekt rutscht – wie noch vor 20 Jahren. Denn zum einen gibt es anscheinend auch negative Rückkoppelungen im Klimasystem, wie wir in den letzten 15 Jahren gesehen haben, die uns zumindest etwas Zeit geben.
Zum anderen gibt es eine ganz deutliche negative Rückkoppelung bei den Verursachern: Die beiden größten Verursacher der CO2-Emissionen – China und USA – sind beide sehr große Kontinentalmassen, die bei wilderem Klima von extremen Wetterereignissen besonders gebeutelt werden. Im Winter extrem kalt, im Sommer extrem heiß.
Das heißt, die beiden größten Emittenten werden wahrscheinlich auch die Folgen besonders zu spüren bekommen. Das ist üblicherweise ein Rezept um zur Vernunft zu kommen, auch wenn die derzeitige Politik der USA ganz und gar nicht danach aussieht.
Aber bis wir die CO2-Emissionen wirklich in den Griff kriegen, wird es zumindest noch weitere bisher nie dagewesene Naturkatastrophen geben.
Wie ich aus der Zukunftsforschung lernen musste, dauert es wahrscheinlich einige Generationen, bis wir einen globalen Sinneswandel erreichen, der uns zu einem dauerhaften Überleben auf diesem Planeten führt. Aber nach 30 Jahren Forschung und Entwicklung im Bereich der Nachhaltigkeit muss ich doch sagen, dass wir innerhalb einer Generation bereits einen großen Schritt vorangekommen sind.
Denn zumindest in Deutschland wird der Nachhaltigkeit inzwischen eine hohe Priorität – vor allem von der jungen Generation – eingeräumt. Aber auch China ist inzwischen einer der Vorreiter für nachhaltige Innovationen. Weil die Chinesen, genau wie die Europäer vor etwa 65 Jahren (z. B. Londoner Smog Katastrophe 1952), jetzt extrem unter den immer steigenden Emissionen und den Folgen einer verfehlten Umweltpolitik leiden. Genau deshalb werden jetzt aber auch teils drastische Maßnahmen ergriffen. In Europa war das nicht anders.
Was können wir also tun?
Wie schon jetzt deutlich ist, wird Deutschland die Klimaziele 2020 nicht erreichen, da wird auch die neue Jamaika-Koalition nichts dran ändern (Grüne – ick hör dir trapsen…).
Aber wir müssen nicht warten, bis Regierungen etwas beschließen, wir können es einfach tun.
In Berlin ergibt sich jetzt die Chance, selber aktiv zu werden. Das Baumhaus in Berlin-Wedding lädt parallel zur offiziellen Klimakonferenz in Bonn, zu einer Konferenz der Berliner Zivilgesellschaft:
Dieses Jahr appellieren wir an unsere Nachbar*innen und alle lokalen Berliner Projekte: Wir wollen gemeinsam die erste Klimakonferenz der Berliner Zivilgesellschaft initiieren, die Conference of Berlin (COB1).
Unter dem Motto „Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wer, wenn nicht wir?, rufen Sie auf, zivilgesellschaftliches Engagement zu zeigen:
Wir brauchen sicher keine Jahre des Verhandelns. Viele von uns sind bereits für einen sozial-ökologischen Wandel aktiv und viele unserer Initiativen zeigen, dass unsere Ideen und Lösungsansätze hier und jetzt umgesetzt werden können. Die Frage ist also: Wie können wir umfassendere Maßnahmen anstoßen, bereits laufende Prozesse ausbauen und den multiplen Klimakrisen entgegentreten?
Lasst uns zusammenkommen– im Großen und im Kleinen – uns austauschen und reflektieren, voneinander lernen und weitere Handlungsstrategien sowie konkrete Maßnahmen entwickeln. Lasst uns einen lokalen Entwicklungssprung in Richtung Nachhaltigkeit anstoßen. Wenn wir uns in 23 Jahren auf der COB23 wiedersehen, können wir hoffentlich stolz auf uns sein – darauf, dass wir uns als Berliner Bürger*innen zusammengeschlossen haben und unsere Kreativität, unseren Mut und unsere gegenseitige Zusammenarbeit gefördert haben. Lasst uns das Klima wandeln, in Berlin und darüber hinaus!
Das Baumhaus, Gerichtstr. 23 im Vorderhaus, 13347 Berlin
Programm vom 1. bis zum 14. November, Treffen zur „Berliner Erklärung“ am 11. 11. 17.
–
Dipl.-Ing. Hans Boës arbeitet an postfossilen Mobilen im Prinzessinnengarten in Berlin-Kreuzberg. Er kann erreicht werden unter info@postfossilemobile.de.
Pingback: Das Klima ist ein wildes Tier – wir müssen lernen es zu zähmen | Heinrichplatz TV